Klangnetze – AT

Musik mit den Ohren erfinden – Annäherungen an zeitgenössische Musik

I. Kurzinformation.. 2

II. Einleitung. 3

III. Projektbeschreibung. 4

IV. Kommentar 8

V. Kontakt 10

I. Kurzinformation

Das Beispiel beschreibt eine Kooperation von MusiklehrerInnen und MusikerInnen, um SchülerInnen Neue Musik nahe zu bringen. Ein Zeitrahmen von 20 Stunden ermöglicht die Erarbeitung eines eigenen Stückes mit einer Aufführungsmöglichkeit im Wiener Konzerthaus.

II. Einleitung

Das Projekt „Klangnetze“ wurde in Österreich in den 1990er-Jahren vom Kulturservice unterstützt und war für alle Schultypen möglich. Die Schulform der Projektklasse war ein neusprachliches Gymnasium in einem Wiener Innenbezirk, die SchülerInnen vorwiegend gutbürgerlicher Herkunft mit durchschnittlicher Klassengröße von 25-28 SchülerInnen. Ich[1] arbeitete mit einer Klasse der Sekundarstufe II (AHS). Die 15-jährigen SchülerInnen waren bisher hauptsächlich mit klassischer oder populärer Musik vertraut. 15 SchülerInnen dieser Klasse besuchten eine zusätzliche Musikstunde als Musikschwerpunkt, alle spielten ein Instrument (Basisfertigkeiten). Diese zusätzliche Wochenstunde fand geblockt statt, um in Einheiten von 2-3 Stunden ungestört am Nachmittag arbeiten zu können.

Der Arbeit mit den SchülerInnen ging eine mehrtägige Einführungsveranstaltung voran, in der MusikerInnen und LehrerInnen einander kennen lernten und ihre Teamfähigkeit erproben konnten. Der vorgegebene Zeitrahmen von 20 Stunden, mehrere Betreuer für eine Klasse und eine Aufführungsmöglichkeit machten dieses Projekt von Anfang an für alle TeilnehmerInnen attraktiv und spannend.

Da hier die meisten Kriterien, die das meNet-Team zum Identifizieren eines Praxisbeispiels festgelegt hat, vertreten sind, habe ich dieses als innovativ einzustufende Projekt gewählt. Es ist ein Kooperationsprojekt zwischen Schule und MusikerInnen, verbindet in idealer Weise Zuhören, kreatives Gestalten von Musik und Aufführen, sowie Reflektieren über Musik, erfordert Experimentieren und Innovation für alle TeilnehmerInnen, lässt SchülerInnen eigenständig/individuell als auch voneinander lernen, schult Kritikfähigkeit, Kommunikation und Sozialkompetenz und bietet durch die Aufführungssituation schließlich die Möglichkeit hervorzutreten.

Es hat mich als Lehrende bestätigt, ermutigt und meinen Unterricht nachhaltig beeinflusst.

III. Projektbeschreibung

Ich sah in diesem Projekt eine Chance, mein musikpädagogisches Anliegen zu verwirklichen, nämlich SchülerInnen zum Musikschaffen anzustiften. Der erzieherische Fokus war auf eigenständiges, eigenverantwortliches und selbstkritisches Arbeiten sowie Teamgeist gerichtet.

1.Vorbereitungen

a) organisatorischen Arbeit: Ich musste für alle passende Termine finden, an denen wir die zusätzliche Musikstunde geblockt abhalten konnten, die Raumsituation klären sowie die Eltern und betroffene KollegInnen informieren.

b) Teamsitzungen mit den Künstlern Michael Moser und Thomas Gorbach: Der Arbeit mit den SchülerInnen ging eine gründliche Vorbereitung mit den Musikern voraus. Meine Rolle war sowohl Vermittlerin als auch Mitgestalterin. Von Anfang an gab es in unserem Team eine angenehme, aber durchaus nicht selbstverständliche Gleichberechtigung im künstlerischen Bereich.

2. Die Arbeit in der Klasse

Ausgangsbasis für die Arbeit waren Fragmente einer Komposition zeitgenössischer Musik und das gesamte schulische traditionelle Instrumentarium sowie außergewöhnliche Klangobjekte. Jede/r SchülerIn wählte ein Fragment und suchte für die Umsetzung passendes Klangmaterial. Dieser erste Schritt führte zu einem individuellen Motiv, das als Ausgangsbasis für weiteres musikalisches Gestalten diente. Dieses Motiv sollte variiert werden. Die Schülerinnen erforschten nun die Möglichkeiten des Materials.

Das Motiv und seine Variationen wurden die Basis für Improvisationsrunden, die zum individuellen Arbeiten das Arbeiten im Team forderten.

Ich konnte an den SchülerInnen beim Experimentieren mit dem Material eine erstaunliche Klangsensibilität beobachten. Inspiriert durch außergewöhnliche Möglichkeiten wie z. B. Klebebänder, Steine und ein Lavoir horchten die SchülerInnen sehr aufmerksam und trafen eine subtile Auswahl des Klangmaterials. Sie zeigten große Neugierde an den Möglichkeiten dieses Materials, jede/r war persönlich beteiligt und übernahm Verantwortung für den eigenen musikalischen Baustein. Die Improvisationen erforderten es, aufeinander zu hören und miteinander (non verbal) zu kommunizieren.

3. Die Krise

Nach ca. 8 Stunden erreichten wir die „Stunde Null“. Das Material war soweit gesammelt, dass der nächste Schritt eine schlüssige Anordnung erforderte. Doch der Schritt von der Improvisation zur Komposition stellte für die SchülerInnen eine scheinbar unüberwindliche Hürde dar. Es schien kurz so, als wäre das das Ende des Projektes. Erst langsam begriff ich, dass hier die Kunst auf ein System stößt, das vor allem fremd gesteuert ist. Der herkömmliche Schulalltag bedeutet für die SchülerInnen korrigierte Hefte, Prüfungen mit Noten, die richtig und falsch bewerten, er erlaubt oder verbietet. Das sich nun öffnende Feld an Möglichkeiten und ihre eigene Zuständigkeit und Verantwortlichkeit überforderte sie zunächst. Nach einem Krisengespräch beschlossen die SchülerInnen aber doch weiter zu machen und die Herausforderung anzunehmen.

Die SchülerInnen bei der Diskussion

Von da an ging es wieder zügig voran. Sie probierten, diskutierten, verwarfen, probierten neu und fanden schließlich eine gute Lösung, bei der alle gleichermaßen eingebunden waren.

Die beiden Musiker Thomas Gorbach und Michael Moser bei der Arbeit mit den SchülernInnen

4. Die Aufführung

Das Ergebnis Hirnlos präsentierten die SchülerInnen beim Abschlusskonzert des gesamten Projektes im Wiener Konzerthaus. Ihr Auftrittsverhalten war professionell und Ihre Einschätzung der Stücke anderer Klassen zeigte, dass sie genau begriffen hatten, was die Stilmittel Neuer Musik ausmacht

IV. Kommentar

1. Schlüsselerlebnisse

a) Die Veranstalter luden uns für das folgende Jahr ein, im selben Team weiterzuarbeiten. Während die SchülerInnen im ersten Projektjahr eine unglaubliche Fülle an Klängen verwendeten, entschieden sie sich im Folgejahr für die ausschließliche Verwendung von Trommeln und Stimme. Sie standen den Musikern auch kritisch gegenüber, da es ihnen wichtig war, „ihr“ Stück zu machen. Die Herausforderung lag nun darin, trotz bekannter Arbeitsweise und mit den reduzierten Mitteln genauso differenziert zu arbeiten, was auch schließlich gelungen ist.

b) Bestätigung meiner bisherigen Arbeit: Das Projekt bestärkte mein bisheriges Bemühen um selbstschöpferisches Tun im Musikunterricht. Was ich dabei lernte, war: die nötige Zeit zu geben, die Bedeutung der räumlichen Situation (Arbeit in Kleingruppen in verschiedenen Räumen) anzuerkennen und Krisensituationen zuzulassen.

c) Kunst / Schule – ein Gegensatz: Auch hier bestätigte sich eine Ahnung, nämlich, wie sehr sich die schöpferische Tätigkeit vom alltäglichen Schulbetrieb unterscheidet und welche Umstellung das auch für die „normale“ Musikstunde von den SchülerInnen erfordert. Meine Wünsche und mein Anspruch an die Eigenverantwortlichkeit der SchülerInnen scheint nicht Standard zu sein, sondern in der schöpferischen Natur des Faches begründet.

d) Aus-einander-setzen: Die SchülerInnen waren bei diesem Projekt durch die Zusammenarbeit mit zwei Künstlern auch mit deren Unterschiedlichkeit konfrontiert. Das war für sie gar nicht leicht zu begreifen, da doch sonst eine einzige Expertenmeinung (Lehrermeinung) zählt. Mir wurde klar, wie nötig diese Sichtweise ist, um die Komplexität im Umgang mit musikalischem Material zu vermitteln.

2. Stärken und Herausforderungen

a) Stärke: Die von außen bereit gestellte Organisationsstruktur (Vorbereitung, Zeitbudget von 20 Stunden) und die Förderung vom Kulturservice sowie die Möglichkeit mit zwei Musikern zu arbeiten waren unglaublich luxuriöse Rahmenbedingungen, die aber nötig waren, um Stücke in dieser Dichte und Qualität hervorzubringen.

b) Herausforderung: Die Teamarbeit mit zwei Musikern fordert vom Lehrer eine selbstbewusste Haltung. Während AHS-LehrerInnen darin meist eine Stärke sahen wurde an Volks- und Hauptschulen diese Herausforderung manchmal zum Problem. (Grund: unterschiedliche Ausbildung der LehrerInnen)

3. Weiterentwicklung

a) Ich habe diese Arbeitsweise auch auf andere Gebiete übertragen (z. B. im Bereich Formenlehre).

b) Ich habe die Idee auf die Zusammenarbeit mit einem Künstler übertragen, ohne dabei eine Aufführung anzustreben. Das Ziel war ein Hinführen zu Kompositionsprinzipien der zeitgenössischen Musik.

4. Externe Anerkennung

Das Projekt wurde mit öffentlichen Mitteln gefördert und wird als innovativ eingestuft.

V. Kontakt

Kontaktperson:



[1] Das Praxisbeispiel wird aus der Perspektive der Klassenlehrerin Elisabeth Labschütz beschreiben.


Hirnlos